Stanislav Markelov übernahm regelmäßig die juristische Vertretung von Journalist_innen, die über Korruption und mafiöse Strukturen berichteten und so die Öffentlichkeit über das schamlose Treiben regionaler Machthaber_innen informierten. Einer dieser engagierten Journalist_innen war Mikhail Beketov aus Khimki bei Moskau. Er berichtete in seiner Zeitung „Khimskaja Pravda“ über die Machenschaften des örtlichen Bürgermeisters, der den Wald von Khimki privatisieren, eine Schnellstraße bauen und nach der Rodung großer Areale das Land an (neu-) reiche Moskoviter_innen für ihre Datschen verkaufen wollte. Beketov und seine Berichterstattung sorgte dafür, daß sich zivilgesellschaftlicher Protest regte und breite Bündnisse gegen die Rodung des Waldes geschmiedet werden konnten.
Ökologische Aktivist_innen, Anarchist_innen, Antifaschist_innen und andere engagierten Menschen mobilisierten zum Teil sehr erfolgreich zum Protest, der auch weit über die Grenzen von Russland wahr genommen wurde. Beketov bezahlte für seine Enthüllungen und hartnäckigen Nachfragen beinah mit dem Leben. Er wurde am 13. November 2008, nachdem er zuvor massiv bedroht und ihm sein Auto angezündet wurde, überfallen und fast zu Tode geprügelt. Schwer verletzt wurde er ins Krankenhaus eingeliefert.
Menschenrechtler_innen, Aktivist_innen und Journalist_innen gingen nach diesem Mordversuch auf Beketov im November 2008 in ganz Russland auf die Straße. Bei der Kundgebung in Moskau sprach auch Stas Markelov. Hier ist die Übersetzung seiner Rede.
Ich bin in einer merkwürdigen Situation. Ich bin der Anwalt all jener, die in schreckliche Geschichten verwickelt sind. Und ich bin müde.
Ich habe keine Lust mehr meine Bekannten in den Kriminalstatistiken zu finden. Ich bin müde, weil ich noch eine Woche vor den aktuellen Vorfällen zusammen mit Mikhail Beketov in seinem Haus saß und er sich beklagte, daß er ganz allein gegen alle stehen würde. Und er hatte Recht.
Ich habe keine Lust mehr Strafsachen zu verhandeln, in denen die aller erste Beschuldigung darin besteht, daß ein Mensch ein Antifaschist ist. Und dafür klagen sie nicht nur an, sondern sie verhaften Menschen und verurteilen sie – wie jetzt Olessinov.
Ich habe keine Lust mehr die Kriminalstatistiken zu lesen und Todesmeldungen zu finden. So wie vor kurzem jene von Filatov, der vor seinem Hauseingang getötet wurde. Das hat nix mehr mit Arbeit zu tun. Es ist längst zu einer Frage des Überlebens geworden. Michail Beketov braucht zur Zeit Bluttransfusionen und wir benötigen Schutz. Wir brauchen Schutz vor Nazis. Wir brauchen Schutz vor den mafiösen Strukturen. Wir benötigen Schutz selbst vor den Sicherheitsbehörden, die nicht selten mit der Mafia zusammenarbeiten. Wir alle brauchen Schutz!
Und wir verstehen sehr gut, dass uns, außer wir selbst, niemand niemals Schutz bieten kann. Nicht Gott. Nicht der Zar. Nicht das Gesetz. Niemand! Nur wir selbst können uns schützen. Erst dann, wenn wir uns voreinander stellen, wenn wir uns gegenseitig beschützen können – erst dann können wir uns durchsetzen. Ich hoffe, daß das passiert. Andererseits haben wir uns hier umsonst versammelt.