Das Komitee 19. Januar aus Moskau organisiert auch in diesem Jahr, wie in den vergangenen zwei Jahren, eine antifaschistische Demonstration in Erinnerung an Anastasija Baburova und Stanislav Markelov. Das breite Bündnis aus verschiedenen Spektren ruft dazu auf gegen Naziterror auf die Straße zu gehen. Wir haben den Aufruf übersetzt und dokumentieren ihn hiermit. Außerdem verweisen wir auf unseren Aufruf zur Solidarität mit den russischen Antifaschist_innen. Hier nun aber die Übersetzung des Aufrufs des Komitee 19. Januar.
Das Komitee 19. Januar wird am ersten Werktag nach den Winterferien eine traditionelle antifaschistische Demonstration im Zentrum von Moskau anmelden.
Am 19. Januar vor drei Jahren haben wir unsere Freunde Stas und Nastja verloren. Nach zahlreichen Aktionen, Kundgebungen, Auftritten von Aktivist_innen und einfachen Bürger_innen und die damit verbundene öffentliche Aufarbeitung wurden Tichonov und Khasis, selbst Opfer nazistischer Verdummung, inhaftiert und verurteilt. Damit hat sich der Kreis geschlossen. Die Mörder_innen wurden bestraft. Wir aber erinnern weiter daran, wie aufrichtig der Anwalt Markelov und die Journalistin Baburova in ihren antifaschistischen Überzeugungen waren. Wir vermissen beide vor allem dann, wenn Hunderte Aktivist_innen aus verschiedenen Bewegungen und ideologischen Strömungen unnachgiebige anwaltliche Hilfe und eine aufmerksame journalistische Recherche benötigen. Deshalb organisieren wir nun schon zum dritten Mal am Jahrestag ihrer Ermordung, am kältesten Tag des Jahres, eine antifaschistische Demonstration, um auf die Notwendigkeit des täglichen Kampfes gegen den Faschismus aufmerksam zu machen, den jede_r in seinem persönlichen Umfeld führen muss. Um Faschismus im Alltag zu erkennen, müssen wir sehr aufmerksam und scharfsinnig sein. Der Faschismus verwandelt sich ständig. Ohne das er sein Wesen verändert, wechselt er unablässig seine Maske.
Aber es gibt auch jene Veränderungen, die nur ein_e Blinde_r nicht erkennt. Vor drei Jahren sind die Nazis von Massakern an Migrant_innen zu echten, gezielten politischen Morden übergegangen. So haben wir Fedor Filatov, Ivan Khutorskoj, Stas und Nastja verloren. Als die zwei Mörder in den Knast kamen, haben die Nazis zunächst den Schwanz eingezogen. Aber, wie als Antwort auf die grenzenlose Rücksichtslosigkeit sowie die Käuflichkeit der Gerichte und Miliz, bekamen wir die hässliche und sinnlose Willkür auf dem Manege-Platz vor Augen geführt. Heute, im Dezember 2011, während der Massenproteste gegen die Wahlfälschungen sehen wir wieder die Rechten bei den Versammlungen der Organisationskomitees und auf den Bühnen der Kundgebungen, wie sie versuchen sich als harmlos darzustellen.
Sie rufen, dass es reicht den Kaukasus zu füttern, obwohl der Kaukasus lange nicht die am stärksten subventionierte Region ist und es eher die lokalen Behörden sind, die nur unkritische Strukturen unterstützen und kritische Stimmen unterdrücken. Damit verstärken sie lediglich die nicht tot zu kriegenden Ressentiments gegenüber Migrant_innen. Aber sind sie bereit zu akzeptieren, dass ihre national-demokratischen Gleichgesinnten in den europäischen Ländern, wenn sie einmal an der Macht kommen sollten, beginnen werden Russ_innen als ethnisch und religiös „Minderwertige“ hinauszuwerfen? Sie kritisieren das Regime, obwohl viele von ihnen bereit sind ihm gegen einen kleinen Obolus zu dienen und oppositionelle Aktionen sowie Öko-Lager anzugreifen. Sie werden die Stütze des Regimes sein, sollte es doch ernsthaft durch eine demokratische Revolution in Gefahr geraten, die Freiheit und Gleichheit für alle fordert. Gemeinsam mit anderen Oppositionellen treten sie gegen die antiextremistische Gesetzgebung ein. Aber ihre Abschaffung benötigen sie lediglich deshalb, um ungestraft die Menschen zu stigmatisieren und aufeinander zu hetzen. Nicht Migrant_innen und „Ausländer“ bedrohen die mythische „ursprüngliche Mehrheit“, sondern die ultrarechte Minderheit bedroht die Mehrheit der Bevölkerung Russlands. Es geht nicht um die „russische Frage“, sondern um Korruption und die unehrliche Verfasstheit der Gesellschaft, die es zulässt, dass manche profitieren und sich bereichern dürfen, anderen aber unabhängig von der Nationalität und Konfession das Maul gestopft wird. Nationalismus ist das notwendige Element für eine derartige Gesellschaft. Der antifaschistische Kampf ist mit dem Kampf für echte Demokratie und für das Recht auf freie Meinungsäußerung untrennbar verbunden. Baburova und Markelov haben dies mit ihrem Leben und ihrem Tod bewiesen.
Kommt zur Veranstaltung in Erinnerung an die beiden am 19. Januar 2012 um 19 Uhr zum Nikitinskij Boulevard, an der sich emanzipatorische und bürgerliche Aktivist_innen sowie Musiker_innen beteiligen werden.
Kein Vergessen, kein Vergeben!
Russland für alle, die bereit sind
hier ehrlich zu leben und zu arbeiten!Das Komitee 19. Januar ist eine offene antifaschistische Initiative. Es vereint Menschen mit verschiedenen beruflichen Hintergründe. Darunter sind Arbeiter_innen und Lehrer_innen, Anwält_innen und Journalist_innen, Künstler_innen und Regisseur_innen, Musiker_innen und Soziolog_innen. Das Komitee 19. Januar formierte sich im Herbst 2009 in Erinnerung an den Antifa-Anwalt Stanislav Markelov und der antifaschistischen Journalistin Anastasija Baburova, die am 19. Januar 2009 am helllichten Tag in Moskau von Nazis ermordetet wurden. Das Komitee 19. Januar wird zum dritten mal die jährliche Demonstration gegen Nazi-Terror durchführen.