machnow, analyse kritik aktion, 9. Januar 2010. Am 19. Januar 2009 wurde der libertäre Anwalt Stanislav Markelov sowie die anarchistische Antifaschistin und Journalistin Anastasia Baburova von Naziterroristen auf offener Straße erschossen. Am 10. Oktober 2008 ermordeten Nazis Feodor Filatov – einen der Mitbegründer der Moskauer Trojan Skins. Am 16. November 2009 starb Ivan Chutorskoi. Der bekannte Moskauer R.A.S.H., der oft den antifaschistischen Selbstschutz bei Veranstaltungen, Kundgebungen und Konzerten organisierte, wurde in seinem Hauseingang ebenfalls von Naziterroristen erschossen. Das Komitee 19. Januar ruft dazu auf am ersten Todestag von Stas und Skat weltweit gegen Faschismus und Rassismus auf die Straße zu gehen und ein klares antifaschistisches Zeichen jenseits politischer Spektren abzugeben.
Im Jahr 2008 starben nach Angaben des Informations- und Analysezentrum Sova 110 Menschen. 486 wurden verletzt. Im vergangenen Jahr wurden 60 Menschen ermordet und 306 verletzt. Trotz der sinkenden Zahl rechter Gewalt, die immer noch insbesondere Migrant_innen und nichtweiße Russ_innen sowie den politischen Gegener betrifft, bleibt ihre Qualität auf hohem Niveau. Sehr viel gefährlicher und erschreckender ist allerdings die zunehmende Zusammenarbeit zwischen staatsloyalen Organisationen und die öffentliche Akzeptanz radikalnationaler Positionen, die am Tag der Nationalen Einheit bei den sogenannten Russischen Märschen im vergangenen Jahr zu beobachten war.
Um diesen transformierten und nun mehr auch zum staatsnationalistischen, als antifaschistisch und mulitethnisch verklärten Tag der Einheit der Russ_innen gab es einige spektakuläre Aktionen gegen und von rechten Terroristen.
Im November wurden die Eheleute Nikita Tichonov und Evgenija Chasis als Mörder von Markelov und Baburova festgenommen. Sie waren Teil einer rechtsterroristischen Zelle, die offenbar Anschläge und Mörde durchführte, aber durchaus auch gute Kontakte in den Kreml und zu anderen radikalen Nationalisten pflegte.
Entweder dieselbe oder eine weitere rechtsterroristische Zelle aus dem Umfeld um die Ob’edinennaja Brigada – 88 (Vereinte Brigade – 88), der Nazischlägertruppe mit cineastischem Interesse Studio Format – 18 und Russkij Obraz / Soprotivlenie erschoß am 16. November den Moskauer R.A.S.H. Ivan Chutorskoi.
Ende November explodierten mehrere Bomben an der Eisenbahnlinie des Newski Express‘, dem Schnellzug, der zwischen Moskau und Petersburg pendelt. Es starben mindestens 39 Menschen. Darunter mindestens zwei hochrangige Politiker. Wie schon 2006 und 2007 sollen auch diesmal nationalistische Terroristen die Bombenleger_innen gewesen sein. Kurzzeitig tauchte sogar ein Bekennerschreiben der Gruppe Combat 18 auf dem Blog eines Funktionärs der Bewegung gegen illegale Einwanderung (DPNI) auf, die sich selbst zum internationalen Blood & Honour Netzwerk zählt. Die Erklärung verschwand aber genauso schnell, wie sie aus dem Nazimüll gekrochen war. Schließlich versucht sich die DPNI als biedere Nationalisten darzustellen. Da stören die offenbar vorhandenen Kontakte in die militante Szene.
Naziterror in Russland wird seit Jahren, sowohl im In- aber auch im Ausland verharmlost und ignoriert. Eine zivilgesellschaftliche Sensibilität gibt es nicht. Nazis morden unbeeindruckt von einer vermeintlichen Offesive gegen Extremisten fröhlich weiter. Sie bewaffnen sich. Sie bomben. Ihre nationalen Diskurse werden zunehmend breiter aktzeptiert.
Deshalb hat sich das Komitee 19. Januar dazu entschieden entschlossen Widerstand gegen die Naziseuche in Russland zu leisten und ihn auf ein neues, solidarisches und öffentlichkeitswirksames Niveau zu heben. Zum Aufbau einer antifaschistischen Zivilgesellschaft wollen die Beteiligten ein breites Bündnis auch jenseits der alternativen Jugendsubkultur, bürgerlichen Gruppen und anderen Aktivist_innen bilden.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten wir es für vorrangig, offen agierenden Nazis und Rassisten und solchen, die sich hinter gemäßigteren Positionen verstecken, die Unterstützung durch Staatsbeamte zu entziehen, VertreterInnen der extremen Rechten aus der offiziellen Politik zu verdrängen und das Ausnutzen rechtsradikaler Gruppierungen gegen bürgerliche und politische Aktivisten zu verhindern.
Am Abend des 19. Januar soll deshalb in Moskau eine landesweite Demonstration im Andenken an die Ermordung von Markelov und Baburova sowie den anderen Opfern von Naziterror stattfinden. Außerdem ruft das Komitee auch international zu Aktionen am selben Tag auf!