Povetkin für Russland und das Russische Imperium

Am gestrigen Samstag, am 25. Februar, fand in der Stuttgarter Porsche Arena der Boxkampf zwischen Aleksandr Povetkin und Marco Huck um den Weltmeistertitel der World Boxing Association (WBA) statt. Fiel Huck, geboren als Muamer Hukic, schon vor seinem Kampf durch widerliche Deutschtümelei auf, hat Povetkin offenbar noch weniger Berührungsängste zu nationalistischen Überhöhungen.

Der „russische Ritter“ (Russkij Vitjaz‘) ist nicht nur ein aktiver russisch-orthodoxer Kirchenvertreter und regionaler Deputierter der regierenden Partei Edinaja Rossija in der Kurskaja Oblast, sondern er kämpft als Nationalist mit Hang zu imperialen Mythen für Russland und alle „wahren“ Russ_innen. Aus diesem Grund waren gestern in Stuttgart neben der weiß-blau-roten Trikolore auch die sogenannte „Imperka“, die schwarz-gelb-weiße Flagge des Russischen Imperiums, sowie das russische Hakenkreuz Kolovrat zu sehen.

Beim Einlaufen der Kontrahenten war ein sehr großer und schon bei der Vorberichterstattung sehr lauter Block russischer Fans zu sehen, der zum einen durch das Transparent „Idu na vy“, einheitliche schwarze T-Shirts in stilisierter altrussischer Schrift irgend eines „Povetkin Fan Klub“ und durch mindestens eine einzelne sogenannte Imperiale Flagge auffiel. Es sollen auch „nicht-russische“ Menschen, so behaupten zumindest russische Nazis, derartige Fahnen bei sich geführt und gezeigt haben. Das diese nicht zu sehen waren, wurde allerdings, so die verärgerten russischen (Inter-) Nationalist_innen, von „jüdisch-freimaurerischen“ Medien verhindert. Der Banner-Spruch ist übrigens ein Zitat des legendären altrussischen Generals und Zaren der Kiever Rus‘ Svjatoslav Igorevich I., der ausgiebige Eroberungsfeldzüge auf dem Balkan durchführte und als russischer Alexander von Makedonien gilt. Die Nachricht „Idu na vy“ schickte er den Gegner_innen und forderte sie so zur Schlacht.

Povetkin selbst bezieht sich ebenfalls positiv auf die altrussische Legende und imperiale Mythen. Sein Einlauf-Lied hat den Titel „Rus‘ (Deti Svaroga)“ und wird von dem paganistisch-slavophilen Barden Nikolaj Ermilin gesungen. Der Untertitel des Liedes bezieht sich auf den heidnisch-slawischen Gott Svarog. Im Text heißt es, daß die heutigen Russ_innen die „guten“ und „slawischen Enkel“ dieses Gottes wären und auf der geheiligten Erde der Väter leben würden, die es in zahlreichen Kriegen zu verteidigen galt. Außerdem wird auf ein tausendjähriges Russisches Reich Bezug genommen und die imperiale Vorstellung von Moskau als dem „dritten Rom“ (Zweimal ist Rom gefallen, das dritte steht und ein viertes wird es nicht geben) reproduziert.

Das sich Povetkin offen als Nationalist bezeichnet und seine Sympathien für das russischen Imperium nicht versteckt, hat er mehrfach bewiesen. Vor dem Kampf mit Huck ließ er sich eine Tätowierung am linken Oberarm stechen, die den sogenannten Russischen Stern oder auch das Quadrat Svaroga (Kvadrat Svaroga) zeigt und sich auf den heidnischen Gott Svarog bezieht. Das Symbol gilt als eines der vielen Möglichkeiten sich auf das vermeintlich mythische und in seinen Ursprüngen auch slawische Hakenkreuz (Svastika) zu berufen.

Dieses Zeichen wurde in den 90er Jahren von der militanten Nazi Organisation „Russkoe Nacional’noe Edinstvo“ (Russische Nationale Einheit, RNE) von Aleksandr Barkashov und bis zum Verbot 2011 von der selbsternannten national-sozialistischen Bewegung „Slavjanskij Sojuz“ (Slawischer Bund) genutzt. Außerdem beruft sich die rassistische und militante Organisation „Severnoe Bratstvo“ (Nordische Bruderschaft, SB) in ihren ideologischen und mystischen Schriften sowie ihrem Logo ebenfalls auf den „Russischen Stern“. Im Logo verknüpft die militante Gruppierung, die als ein Teil der Bewegung gegen nicht-legale Immigration (DPNI) galt, die Initialen der Organisation mit dem Kvadrat Svaroga und dem numerisch versteckten Hinweis auf“Adolf Hitler“ (was aber auch an das militante Netzwerk Combat 18 erinnert).

Screenshot der Seite von Severnoe Bratstvo (SB)

Der Ideologie der SB speist sich aus dem programmatischen Manifest „Norna“ (Nacional’noe Osvobozhdenie Russkogo Naroda, dt. Nationale Befreiung des Russischen Volkes) und der siebenteiligen Buch-Reihe „Svarogov Kvadrat“, die sämtlichst von Pjotr Khomjakov geschrieben wurden. Des Weiteren wird auf der Seite der Organisation auf eine Einleitung zum Rassenkrieg hingeweisen, die irgendein Sokol (Falke) aus Texten bis 2007 zusammengestellt hat. Auffällig sind die Ähnlichkeiten zu Texten aus dem Dunstkreis des Nazi-Netzwerkes Blood & Honour / Combat 18.

Die Nähe von des Svarog Mythos zum russischen Hakenkreuz beweist der Sänger des Povetkin Einlauf-Liedes selbst. Seine offizielle Seite ziert ein widerlicher Kolovrat. Nicht vergessen werden sollte außerdem, daß die russische NS-Hatecore und Anti-Antifa Band aus dem Dunstkreis von Russkij Obraz (Russische Weise) sich ebenfalls Kolovrat nennt. Und so ist allein durch die Auseinandersetzung mit der Tätowierung das gesamte militante Nazi-Netzwerk sichtbar. Ob das wohl Zufall ist?

Povetkin selbst gibt seinen Hang zum Patriotismus und zur Monarchie auch gerne gegenüber der Presse zu. In einem Interview mit der Zeitung „Kurskie Izvestija“ vom 16. Dezember 2009 geht er sogar noch weiter und bekennt sich stolz dazu ein Nationalist zu sein, der für den Bestand und die Wiedergeburt der „Russischen Nation“ eintritt. Im September 2011 erklärte er gegenüber der „Kurskaja Pravda“, daß er in seinen Kämpfen die Ehre des russischen Volkes verteidigen will. Außerdem betonte er, daß es nicht reicht ein „Russe zu sein“, sondern jede_r dies als Verantwortung betrachten muß. „Damit das ganze Leben, sowohl die Gedanken als auch unser Handeln“, so Povetkin im Interview, “dem Ruhm und der Erde Russlands zur Ehre gereicht.“ Er verknüpft diese Forderung mit einer Straight Edge Ideologie von Sport, Gesundheit und Vaterland, die sich bei beinah allen militanten Nazis von Slavjanskij Sojuz über Russkij Obraz bis zur Severnoe Bratstvo findet.

Dieser positive Bezug auf den Mythos der ruhmreichen russischen Nation und ihrer Imperiums sowie der Russ_innen ist auf auch T-Shirts während der Box-Kämpfe von Povetkin zu sehen. So trug er zum Beispiel vor und nach seinem Kampf gegen den Nigerianer Teke Orukh im Sportpalast „Olimpiskij“ im Moskauer Vorort Chekhov ein Shirt mit dem Bild des Zaren Aleksandr III. und der Aufschrift „My Russkie!“ (Wir sind Russen) sowie unter dem Bild „Khozain zemli russkoj, zar‘ Aleksandr III (1845-1894)“ (Herrscher über die russischen Lande…). Auf einem anderen Bild mit dem „Povetkin Fan Klub“ ist er mit einem Shirt zu sehen, auf dem Aleksandr Nevskij abgebildet ist und das folgendes Zitat trägt: „Wer zu uns mit dem Schwert kommt, wird auch durch das Schwert sterben“. Die Fans haben übrigens auf demselben Bild ein Shirt an, auf dem der imperiale zweiköpfige Adler zu sehen ist und „Povetkin Slava Rusi“ (… Für die Ehre Russlands) geschrieben steht.

Trotz der sichtbaren und expliziten Sympathien zum russischen Nationalismus scheint Povetkin aber mit militanten Nazis und nationalistischen Organisationen zumindest nicht offen den Kontakt zu suchen. Seine Verpflichtungen gegenüber „Edinaja Rossija“ könnten hierbei im Wege sein. Dennoch berichten Nazis oft und hoch erfreut über ihren Helden, der allerdings gestern gegen den deutschen Nationalisten Huck mächtig einstecken mußte. Die gestrige Anwesenheit russischer Nazis und Nationalist_innen sollte dennoch aufmerksam verfolgt werden. Schließlich stand Povetkin von seinen 24 Profi-Kämpfen 19 in Deutschland im Ring. Womöglich wurden außerhalb des Rings auch andere Kontakte geknüpft.

Bilder von Indymedia

Povetkin Huck Stuttgart

25. Februar 2012: Povetkin Fanklub in Stuttgart

Povetkin Fanklub

Povetkin Fanklub, Bild vom Blog des Boxers Denis Lebedev

Povetkin beim Wiegen vor dem Kampf gegen Huck

Povetkin vor dem Kampf im Sportpalast „Olimpiskoe“ in Chekhov

Dieser Beitrag wurde unter Nationalismus in Russland abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.